Missverständnis Heimat?

Vortrag von Dr. Walter Windisch-Laube

„Heimat“ ist spätestens seit den verschiedenartigsten Erfahrungen der Unbehaustheit im 20. Jahrhundert ein relativer, durchwachsener, mehrdeutiger, ja schillernder Begriff. Ungeachtet dessen wird bis heute wohl von einer Mehrheit auch in unserem ‚fortschrittlichen‘ Land ein althergebrachter Heimatbegriff hochgehalten, in dem das weitgehend kritiklose Übernehmen und Fortsetzen von Überlieferungen, Einstellungen, Haltungen und Gruppenritualen vorherrscht. Die Suche nach Halt spielt dabei oft eine maßgebliche Rolle. Doch das heimisch Bleiben in Tradiertem kann einem fortschrittlich entwickelten Bewusstsein massiv entgegenstehen, vermag sogar emanzipatorisches und demokratisches Denken zu hemmen oder zu verhindern. Heimatgefühle vollziehen und entwickeln sich zumeist in der Spannung zwischen dazugehören, gemeinsam in die Zukunft blicken und Rückwärtsgewandtheit (die Gewandtheit dennoch zulässt).

Der Mensch braucht ein Plätzchen, und wär’s noch so klein,
von dem er kann sagen: Hier dieses ist mein.
Hier leb‘ ich, hier lieb‘ ich, hier ruhe ich aus,
hier ist meine Heimat, hier bin ich zu Haus.

So die letzte Strophe eines oberhessischen Volksliedes – mit einem überaus berechtigten Wunsch, nachgerade einem dichterisch formulierten Menschenrecht.

„Treibt die Erde, unsre Heimat […]“, heißt es in einem Gedicht von Marie Luise Kaschnitz – und eine noch ganz andere Perspektive von ‚Heimat‘ tut sich auf …

Allzu oft wird „Heimat“ mit einer Art ‚heilen Welt‘ assoziiert; beide haben dann möglicherweise nicht nur das „hei“ gemeinsam, sondern auch die (metaphorisch gedachte, aber nichtsdestoweniger zumeist ganz unbegründete) Angst vor dem Hai.

Die Frage stellt sich, ob der Begriff Heimat in seiner Tiefe (der eines menschlichen Grundbedürfnisses) nicht durch alles Heimattümelnde, vermeintlich Heile eher korrumpiert als begünstigt wird.

2012 erschien von Dr. Walter Windisch-Laube ein Essay zur Heimat-Thematik als Beitrag der Festschrift „500 Jahre Rathaus Alsfeld“. In Weiterführung seiner dort versammelten Gedanken reflektiert und hinterfragt Windisch-Laube in einer bildgestützten und musikalisch strukturierten, mithin multimedialen Vortragsveranstaltung etliche Facetten der Suche nach Heimat.

Teil der Präsentation werden auch Egon-Schiele-Bilder von Meta Perschel sein, in denen sie Alsfelder Szenerien zugleich atmosphärisch einfängt und konterkariert.

Dienstag, 23. Mai, 20 Uhr, Freiwilligenzentrum
Veranstalter: Alsfelder Kulturtage e.V.
Eintritt frei